Beikost - ein kleiner Leitfaden
Beikost
Ein kleiner Leitfaden für einen familienfreundlichen, kindgerechten und bereichernden Start in die Beikostzeit.
Wie Kinder essen lernen legt einen maßgeblichen Grundbaustein für einen bewussten und gesunden Umgang mit Ernährung, welcher ein Leben lang anhält. Mir liegt dieses Thema sehr am Herzen und bildet auch ein großes Herzstück meiner alltäglichen Arbeit. Meine Selbstständigkeit, bevor ich Kugelrund im Mittelpunkt gründete, begann mit ehrenamtlicher Stillberatung. Zwangsläufig geht es da auch irgendwann immer um das Thema Abstillen und Beikost.
Inzwischen kann ich nicht nur eigene Erfahrungswerte als Mutter zweier Kinder teilen, sondern aus meinen Ausbildungen heraus gezielt und spezifisch beraten und begleiten.
Mit dem Beginn des Beikoststarts steht ein Meilenstein in der Entwicklung des Kindes bevor. Nicht nur deshalb ist dieser Moment der ersten Beikost auch für alle Beteiligten ein ganz besonderer. Das kleine Baby ist nun schon so „groß“, dass es andere Nahrung aufnehmen kann als (Mutter)milch. Es geht in den Entwicklungsschritt, wo es bald nicht mehr den physischen Filter der Mutter braucht. Es tritt, durch dass sich Auseinandersetzen mit Nahrungsmitteln, in einen noch direkteren Kontakt mit seiner Umwelt - ein wirklich großer Schritt!
Beim Thema Beikost geht es also nicht nur um Fragen wie: Was ist die richtige Ernährung für mein Kind? Oder, wie wird es auf das Essen reagieren? Sondern auch um emotionale Bestandteile der Eltern- Kind- Beziehung. Auch um einen weiteren Grundbaustein in der Eltern- Kind- Kommunikation und darauf aufbauende Entwicklungen bei dem Baby, welche auf mehreren Ebenen, angeregt durch das Auseinandersetzen mit Nahrungsmitteln, geschehen. Neben allen Ernährungsempfehlungen ist es von großer Bedeutung, dass die Atmosphäre stimmt, sodass das Kind erfährt: Essen ist ein angenehmes Ereignis! Rund um den Globus ist das Einnehmen der Mahlzeiten Hauptbestandteil von sozialer Interaktion. Essen, insbesondere der Familientisch, bietet Raum zur Gemeinschaft, Begegnung und Besinnung. Oftmals bieten die gemeinsamen Mahlzeiten Raum, um sich zu finden und auszutauschen und auf verbindende Art das positive Gefühl der Sättigung gemeinsam zu erleben. Mir liegt bei Beratungen und Kursen immer besonders am Herzen dies wieder ins Bewusstsein zu rufen und Lust auf diese zutiefst sinnliche und verbindende Aktivität zu schaffen. In unserer schnelllebigen Zeit mit hohen Ansprüchen und oft zu großem Zeitdruck bleibt häufig zu wenig Raum, um all dies in seiner Ausführlichkeit zu erleben und zu zelebrieren. Umso schöner, wenn da die Gelegenheit einen neuen Zugang zu finden, durch den kleinen Beikoststarter genutzt wird und das Thema Ernährung für alle Familienmitglieder nochmals zu einer sinnlichen und wirklich nährenden Erfahrung werden kann.
Wie zufrieden bin ich mit meinem Umgang mit Ernährung? Gibt es eine (oder mehrere) gemeinsame Mahlzeiten wo sich alle Familienmitglieder treffen? Wie viel Zeit nehme ich mir fürs Essen und dessen Zubereitung? Gibt es Mahlzeiten wo ich das was ich esse genießen und schätzen kann? Wie hat sich mein Umgang mit Ernährung im Laufe der Schwangerschaft bis jetzt verändert? Welche Ernährungsgrundsätze verfolge ich und warum?
Fragen wie diese, sollten am besten mit dem Partner erörtert werden um so einen gesunden und kindgerechten Rahmen für das Baby am Familientisch schaffen zu können. Sind all diese Fragen erst einmal gestellt, sollte sich daraus zumindest ein vielleicht etwas achtsamerer und bewussterer Rahmen ergeben können.
Spätestens in der Schwangerschaft beginnen die meisten Frauen doch etwas genauer hin zu schauen, bewusster zu essen und sich die Frage zu stellen: wie ernähre ich mich Gesund?
Das ist wichtig und zwar weil die Ernährungsgewohnheiten der Mutter einen Grundbaustein für die des Kindes legen! Durch die Mutter kommt das Kind so also bereits im Mutterleib erstmals mit den Nahrungsmitteln in Kontakt, welche es später dann auch zu sich nehmen wird.
Bevor das Kind mit an den Familientisch kann, sollten eigene Ernährungsgewohnheiten unter die Lupe genommen werden.
Meine Beratungen und Kurse zielen immer darauf ab, den Müttern (und Vätern natürlich auch) wieder Lust auf Essen und Kochen für sich selbst zu machen. Speziell für die Kinder zu kochen, ist gerade am Anfang gar nicht nötig. Oft entsteht daraus eher ein Druck und die Mahlzeiten der Kinder werden so leider häufig vom Geschehen am Familientisch abgekoppelt. Druck entsteht deshalb, weil meist eine Erwartungshaltung entsteht: „Das bisschen muss jetzt gegessen werden! Da ist noch so viel übrig oder ich habe mir so viel Mühe gegeben“ etc.
Liebe Mamis, investiert in Euch! Kocht Euch was Leckeres, wirklich Nahrhaftes und beginnt damit, von Eurem Essen etwas für Eure Kinder abzuzweigen. Schenkt Euch selbst nährendes, liebevoll zubereitetes Essen und lasst Eure Kinder durch Euch daran teilhaben. Am Anfang sprechen wir in den meisten Fällen von ‚homöopathischen Dosen‘ welche die Kinder tatsächlich verspeisen. Eine Sache ist unglaublich wichtig: Kinder nehmen Essen nicht als Essen, also nahrhaft wahr!
Kinder beobachten von Geburt an Mama und Papa (Geschwister, Oma, Opa…etc..) am Tisch und nehmen im besten Fall deutlich war: „Dort an diesem Tisch sitzen alle beisammen, die Stimmung ist schön und wird immer friedlicher und harmonischer desto weiter das gemeinsame Essen voran schreitet. Bei diesem Spiel werden alle glücklich und zufrieden. Da will ich auch mitspielen.“
Als Nahrungsquelle also Hunger bzw. Durststiller ist bisher nur Mama/Flasche bekannt.
Wenn ein Kind die notwendigen Reifeanzeichen zeigt, ist es spielend leicht es Teil des Familientisches werden zu lassen.
Es ist ein wunderbarer Entwicklungsschritt, welchen Kinder in einem geschützten Rahmen ganz einfach gehen können und wollen. Zu Beginn wird das Essen betrachtet, berochen und befühlt. (Ganz natürliche Motorik-schule!)
Dann mit dem Mund betastet, durchgemahlen, gekaut, gut besabbert und zermatscht. (Trainiert ganz nebenbei Mund- und Zungenmotorik, regt ausreichend die Verdauungskräfte- und Säfte an.) Durch das ausgiebige Einspeicheln wird die Nahrung leichter verdaulich.
Dies erfordert die notwendige Reife, welche man an genau drei Schlüsselzeichen klar erkennen kann:
-Das Baby kann (gestützt) sitzen. Das bedeutet die Muskulatur um die Wirbelsäule herum ist soweit ausgeprägt, das sein Köpfchen und der Oberkörper nicht mehr einsacken oder wegknicken können.
-Der Zungenstossreflex hat nachgelassen- bedeutet das Baby schiebt nicht mehr so viel die Zunge aus dem Mund heraus. Damit zeigt es an: Es dürfen inzwischen auch andere Dinge in meinen Mund als „nur“ Brust oder Flasche.
-Die Hand- Mund- Augen-Koordination ist vorhanden, bedeutet: Das Baby sieht etwas, greift selbstständig zu und führt es sich (wenn auch meist noch recht grobmotorisch) zum Mund. Zeigt an: Dein Baby würde genau jetzt anfangen dir auch in Dein Essen zu greifen und sich davon etwas in den Mund stecken.
Diese drei Anzeichen sind ein verlässlicher Anzeiger dafür, dass Kinder bereit sind für Beikost!
Nun bleibt noch die Frage offen: Was darf auf unseren Familientisch, wenn wir einen kleinen Beikoststarter dabeihaben?
Hierzu möchte ich einen kleinen Einblick in die Ernährungslehre der Klassischen Chinesischen Medizin geben. Die Grundregel ist vollkommen simpel und für jeden überall anwendbar:
Ich ernähre mich überwiegend entsprechend der Region. in welcher ich lebe und entsprechend der aktuellen Jahreszeit! Ich esse, was REGIONAL und SAISONAL verfügbar ist.
Der Sinn dahinter ist leicht zu verstehen:
Aus dem Blickwinkel der Klassischen Chinesischen Medizin, betrachtet man den Menschen als Teil seiner Umwelt. Man betrachtet ihn stehts in Beziehung zu den existierenden Bedingungen. Hinsichtlich gesunder Ernährung bedeutet dieser Zusammenhang konkret, dass man die Region und die Jahreszeit als Schnittstellen der Stoffwechselbedürfnisse des Menschen versteht. Vitalität, das Gefühl von Gesundheit, entsteht unter anderem daraus, wie gut es gelingt sich an die vorherrschenden Umweltbedingungen anzupassen. Hierfür nutzt der Mensch besonders Atmung und Ernährung. Durch mangelnden Austausch mit der direkten Umwelt entstehen Disharmonien.
Das Ganze ist noch etwas einfacher zu verstehen, wenn wir einmal einen Blick rund um den Globus und die verschiedenen Regionen werfen. Wir leben in einer gemäßigten Klimazone- Wir haben von Allem ein bisschen was, also im Sommer ein wenig südländisches Feeling, im Winter dann eher nordisches Klima.
Wir kennen und erleben hier den Wandel der vier Jahreszeiten. Wir haben keinen Dauerwinter mit kurzer Wärmephase oder eben auch keinen Dauersommer mit kurzer Regenzeit statt Winter. Deshalb müssen wir uns jeder Jahreszeit aufs Neue anpassen.
Dies ist ein Grund, warum wir uns hier tatsächlich auch etwas mehr „Ausrutscher“ in Sachen Ernährung leisten können. Wir genießen das gemäßigte Klima, sowie den Luxus auch sonst verhältnismäßig sehr gut abgesichert zu leben. Statt in Iglus oder Bambushütten leben wir in stehts beheizbaren Häusern. Ein verhältnismäßig hoher Lebensstandard und gute medizinische Versorgung machen es uns möglich, verhältnismäßig viel falsche Ernährung zu tolerieren, ohne gleich in akuter Lebensgefahr zu schweben.
Ich liebe diesen Ernährungsgrundsatz und das vor allem darum, weil dadurch Entspannung und Klarheit entstehen kann, sich so Prioritäten ergeben im großen Gewirr aus Ernährungsempfehlungen mit gezählten Kalorien, Kilos, Lows und Highs. Eben alles was viele am Ende so unsicher macht, dass die Lust auf gutes Essen auf der Strecke bleibt.
Das ist auch der einzige Grund, warum ich für einen nicht gänzlich breifreien Beikoststart plädiere. Unbedingt müssen Kinder das Essen spielerisch begreifen können. Kinder müssen mit ausreichend Zeit in einem geschützten Rahmen diesen Entwicklungsschritt gehen können. Das muss aber nicht gänzlich ohne füttern ablaufen.
Achtsamkeit und Ruhe um das Kind dort zu begleiten, ist maßgeblich um ihm auch beim Füttern Raum zu geben, wahrzunehmen, was geschieht und so auf seine Bedürfnisse einzugehen. Beim radikalen Breifrei sehe ich als hauptsächlichen Nachteil, dass die Kinder meist viele, doch noch relative rohe Lebensmittel zu essen bekommen. Oftmals entstehen genau dadurch dann Erkrankungen. Diese könnten durch etwas mehr Balance aus sinnlichem Naschen einer Banane oder Gurke und einem nährenden warmen Brei, gekocht mit Obst vermieden werden.
Die Verdauungskapazität von Kindern ist eben verhältnismäßig noch im Aufbau. Essen verdauen kostet Kraft. Gerade da wo es erst gelernt wird. Deshalb müssen die zugeführten Nahrungsmittel vor allem mehr Nutzen als Kosten haben. Als Sicherheitsnetz, in Krankheitsphasen oder bei Entwicklungsschüben wird immer wieder dann das Stillen in den Vordergrund rücken. Solange bis das Kind sich wieder „Fit“ genug für weiteren Input fühlt.
Dieser Text enthält Auszüge aus meinem Buch, welches als EBook verfügbar ist.
In dem Buch findet Ihr alle hier angeknacksten Themen in aller Ausführlichkeit mit mehr Infos zu regional und saisonal, Rezepten, Tipps zum Abstillen und vielen nützlichen Infos.
Ich wünsche Euch von Herzen, gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit, viel Freude, guten Appetit, Leckerbissen, die Euch beglücken und zutiefst genussvolle Momente am Tisch im Kreise Eurer Liebsten.
Herzlich Morija Heckel